Gestern war es dann wieder soweit. Ich hörte das Krankenhaus rufen. Und Tatsache, wie sollte es denn anders sein?
Eigentlich war soweit alles okay, bis… Ja bis dann abends die Schmerzen wieder kamen. Also, was solls. Es hieß dann abends ab zum Arzt. Und an einem Sonntagabend sucht man dann eine Notfallpraxis auf. Dort angekommen, kurze Untersuchung und dann erneut die Diagnose: Herzrhythmusstörung. Ich wusste es. Und weil ich den rechten nicht mehr vor den linken Fuß setzen konnte, hieß es auch noch eine Fahrt mit dem Krankenwagen, kostenlos für mich. Was macht man in einer solchen Situation? Geraucht hatte ich schon lange nicht mehr. Genaugenommen vor zwanzig Minuten die letzte. Aber erkläre das mal dem Arzt. Der Versuch, die Praxis ungesehen zu verlassen, scheiterte kläglich, denn vor mir standen sie. Die Männer in Orange. Feuerwehrorange. Nun gut, erkläre dann den beiden Männern, die ungefähr doppelt so groß sind wie ich, dass du zwar der Patient bist, aber vorher noch eine wichtige Mission hast. Na, was sagst du also? Genau, nichts. Denn jeder Versuch der Ausrede wäre Zeitverschwendung. Angst vor der patzigen Antwort der beiden Sanis, man kennt es ja schon, ziehe ich den Kopf ein und lasse mich kleinlaut auf den Stuhl, der schon vorgewärmt ist fallen. Wie ein nasser Sack quasi. Skeptisch warte ich auf den ersten genervten Spruch und es kommt,… Nichts. Das wundert mich tatsächlich. Die beiden erkundigen sich nach meinen Symptomen. Der Arzt aus der Praxis scheint nichts, aber auch gar nichts, verstanden zu haben. Leichte Thoraxschmerzen. Ich wäre froh, wenn sie tatsächlich leicht wären. Aber, einem Borderliner, einer psychisch kranken Person, sollte man nicht all zu viel Glauben schenken. Man kennt es ja nicht anders.
Jetzt beginnt die Reise. Die Reise in das nächste Krankenhaus. Dieses wird natürlich von dem Arzt gewählt. Was solls. Nuuuun, erstmal wird es ein schwerer Weg. Und zwar der, zum Krankenwagen. Die höflichen Männer lassen mich keine Sekunde aus den Augen. Die Frage, ob ich mich auf die Trage legen kann, lässt sich mit vier Buchstaben beantworten. Nein. Und ins Krankenhaus will ich auch nicht unbedingt. Eine Alternative scheint es aber nicht zu geben. Doch, vielleicht gibt es eine. Aber die fällt mir gerade auch nicht ein. Mich erwartet jetzt also erneut die Fahrt ins Krankenhaus. Im Krankenwagen sitzend und zitternd, aus welch einem Grund auch immer, fahren wir in die Uniklinik.
Sie ist mir bekannt. Ich kenne sie aus der Perspektive der Irren. Mehrere Monate habe ich hier verbracht. Eine Woche auf der Station, wo sie wirklich gegen Wände laufen. Wo sie vor dir stehen und sich grinsend ins Höschen machen. Wo die Pfleger die normalen spielen und doch jeden Tag aufs Neue froh sind, wenn sie die Sicherheitstüren hinter sich schließen können. Sie haben auch alle schon Schaden genommen. Wir, die Irren, stecken sie einfach an. Meine erste OP musste ich hier über mich ergehen lassen. Die zweite, die ich selbst verantwortet habe und dann die dritte und bisher letzte, wo mein Wurmfortsatz, Begriff aus dem Brief, sich von mir verabascheiden musste.
Schade, dass wir heute Sonntag haben denke ich. Denn heute ist der Herr Therapeut nicht da. Er könnte mir vielleicht aus der Situation helfen. Wie gesagt, er könnte, würde aber nicht. Und so werde ich von den großen beiden Männern, der eine sieht echt gut aus, hinein begleitet. Zum Tresen. Der eine trägt meine Jacke, der andere meine Tasche. Ohne Jacke und Tasche kann ich keinen Rückwärtsgang einlegen und so bleibt mir nur, der Weg geradeaus, oder in meinem Fall schlangenförmig, weil links geht nicht vor rechts. Am Stützpunkt, so nennt man hier die Tresen, die sich in die verschiedenen Abteilungen einteilen, steht eine Frau. Kennst du die Situation, wenn du jemanden siehst und direkt merkst, hinterhältig? Jaaa, genau das trifft in diesem Fall zu. Sie guckt mich an, von oben bis unten, skeptisch, arrogant, hinterhältig. Und dann kommt wieder die Situation, die man schon kennt, wenn man einen kleinen an der Klatsche hat. „Die war doch mal in der Psychiatrie. Rufen wir am besten gleich den diensthabenden Psychiater an.“ Die beiden Männer gucken mich erschrocken an, ich allerdings kann nur mit dem Schultern zucken. Ich kenne es ja auch nicht anders, meistens zumindest. Stützpunkt zwei, sagt die Hexe. Und meine Reise geht weiter. Alle gucken dich an, weil du weder geradeaus laufen kannst, noch deinen Weg alleine beschreiten darfst. Patienten im Krankenhaus gucken dich interessiert an, weil, es ist ja was besonderes, wenn Menschen von Sanitätern ins Krankenhaus gebracht werden. Meine Vermutung: deren Leben ist nicht abwechslungsreich genug. In Begleitung der beiden netten, höflichen Sanis gehts dann zum zweiten Stützpunkt. Auch hier sitzt wieder eine verbitterte Schwester. Die ist doch erst zwanzig, die kann doch nichts mit dem Herzen haben. Und mein Gesicht entgleist mir total. Gleich ist aber Schluss. Ich bekomme ein Zimmer und mir wird Blut abgenommen. Die Elektroden des EKGs folgen. Nun heißt es wohl, liegen bleiben und die Fresse halten. Auch hier, was ein Wunder, zeigen sich Auffälligkeiten. Die Ärztin kommt gleich zu Ihnen, brabbelt die Hexe vor sich hin und bevor ich ausraste, balle ich lieber sie Fäuste und bekomme gerade noch so ein Okay raus gequetscht.
Eine Stunde, zwei Stunden, zwei einhalb Stunden später erscheint eine junge Frau. Sie ist Assistenzärztin. Sie stellt sich mir vor und fragt nach den Symptomen. Nachdem ich ihr alles bis ins kleinste Detail erzählt habe, erklärt sie mir das weitere Vorgehen. Natürlich auf Fach chinesisch. Die Hälfte kann ich aber auch nur durch meinen Schulunterricht Latein ableiten. Ich weiß nicht, ob sie denkt, dass sie dadurch an Ansehen und Respekt gelangt. Egal, lassen wir wenigstens einem in diesem Raum ein gutes Gefühl. Das Vorgehen ist mir also klar und nachdem sie mein EKG studiert hat, kommt wieder die Hexe in den Raum. Sie soll mir weitere Geräte anlegen. Wo sie jetzt schon mal hier ist, frage ich sie, ob ich mal zur Toilette könnte. Ein pampiges ja, beantwortet meine Frage. Ich kann mich nicht mehr erinnern, wie ich hier rein gekommen bin und noch weniger weiß ich, wo ich hier zur Toilette komme. Wohl oder übel muss ich wieder die Hexe fragen. Sie sagt nur:“Links und dann direkt wieder links.“ Dieser genauen Wegbeschreibung folge ich und stehe: in einem anderen Patientenzimmer. Ich bin so verwirrt und laufe den Flur auf und ab. Mittlerweile habe ich wieder vergessen, dass ich auf der Suche nach der Toilette bin. Und so watschel ich auf und ab. Hin und zurück. Und dann fragt mich auch noch ein Pfleger, was sich denn suche. Mir fällt ein, ich wollte ja aufs Klo. Ich frage ihn, wo ich die Toilette finde und amüsiert erklärt er mir, dass ich mich nur umdrehen bräuchte. Lustig, lustig. Ich finde das gar nicht komisch. Wenn ich nicht so verwirrt wäre und wenigstens einen Satz raus bekommen würde, wäre die Situation witziger als wie sie jetzt ist. Mir fällt es schon schwer, die richtige Betonung für ein okay hervorzubringen. Okay ist eben nicht gleich okay. Und nachdem ich dann die Toilette gefunden habe, ich bin ja auch erst seit zehn Minuten in dem richtigen Raum, die Kloschüssel zu finden, so denkt man zumindest, sollte nicht allzu schwierig sein, geht es mir direkt ein bisschen besser. Es ist, wie es ist. Ich hab sie ja noch rechtzeitig gefunden. Der Weg zurück in mein Zimmer ist wieder schwierig. Fragen kann ich nicht, denn außer einem monotonen Okay, bringe ich nichts hervor. Auch diesen Weg habe ich relativ zeitnah gemeistert. Eine halbe Stunde ist ja nicht ganz so viel. Weil ich nicht weiß, aus welcher Richtung ich kam und wo mein Zimmer ist, setze ich mich auf die Stühle, die auf dem Krankenhausflur stehen. Damit scheint es der Hexe aber zu reichen. Sie wird laut und erklärt mir, ich solle direkt wieder in mein Zimmer gehen. Blöd nur, dass ich nicht weiß, wo das war. Sie guckt mich an und wartet auf eine Reaktion von mir. Wie gern würde ich jetzt einen passenden Spruch drücken. Klappt nur nicht. Nachdem sie mir dann den Rückweg, zwischen mir und meinem Ziel liegen ganze drei Räume, verständlich erklärt hat und ich nach einem Marsch von zirka zehn Minuten den Raum erreicht habe, lege ich mich geschafft von der langen Reise auf meine Trage.
Dann kommt auch die Ärztin nochmal vorbei. „Ich muss eine rektale Untersuchung bei Ihnen durchführen.“ Hahahahahaha. Der war gut. Kein schlechter Witz. Sie hingegen lacht nicht. Sie scheint es ernst zu meinen. Anstrengen… Nein! Ich will das nicht. Gearscht. „Dann muss ich wohl Ihren gesetzlichen Betreuer anrufen. Der bestimmt ja in Gesundheitsfragen.“ Ich kenne ihn. Er würde nie einem Arzt widersprechen. Und selbst wenn ich mich weiter weigere, umso länger zieht sich das hier hin. Gut, soll sie es machen. Sie guckt mich eindringlich an und ich willige schlussendlich ein. Sie zieht sich Handschuhe an. Dann öffnet sie einen Schrank. Dieses Fläschen, welches sie herbvorzaubert sei ein Betäubungsmittel. Es ist eine Art Gel, wenn ich das richtig gesehen habe. Sie erklärt mir alles bis ins kleinste Detail. „Ich kann das Mittel nicht wirken lassen, denn das würde zu viel Zeit in Anspruch nehmen. Es wird nicht weh tun. Ich werde vorsichtig sein.“ Schon steht sie neben mir. „Gut, drehen Sie sich bitte auf die linke Seite. Die Hose müssen Sie runterziehen.“ Nachdem ich das Widerwillen getan habe und auf der linken Seite liege, sagt sie mir, dass sie jetzt meine Unterhose nach unten ziehen wird. Mir ist das mittlerweile ganz egal, Hauptsache, sie wird da hinten bald mal fertig. Es wird kalt und dann spüre ich auch schon, wie sie mir am und im Hintern rumfummelt. Ein echt erniedrigendes Gefühl. Als sie ihren Finger weiter in Richtung meines Magens schiebt, verkrampfe ich mehr und mehr. Ich höre nur, wie sie sagt, dass ich mich entspannen soll. Angesichts der Tatsache, dass ihr Finger immer noch in meiner Öffnung verweilt, ist das aber leichter gesagt als getan. Als sie fertig ist mit der Bohrung, bei der sie auch nicht fündig wurde, nach was auch immer, will ich nur noch alleine sein. Davon muss ich mich erstmal erholen.
Früh morgens wird mir erneut Blut abgenommen. Ebenfalls wird erneut ein EKG geschrieben. Ich bin einfach nur noch fertig. Schlafen geht ohne meine Happypills nicht. Da ich mein Tablet inklusive Filmen dabei habe, beschließe ich, damit könnte ich mich ablenken. Ich fange an, den Film zu gucken und plötzlich steht die Hexe wieder im Raum. „Legen Sie das Ding weg. Sie sollen jetzt schlafen.“ Das geht mir aber nach der heutigen Untersuchung am Allerwertesten vorbei. Als sie draußen ist, schaue ich weiter. Lange kann ich aber nicht mehr, weil alles nur noch anstrengend ist.
Ich quäle mich so bis zur Visite. Ein paar Stunden. Die Geräte verhindern, dass ich auch nur eine Sekunde dösen kann. Als am Morgen dann drei Ärzte und zwölf Pfleger in meinem Zimmer stehen, flüchte ich mich in die Aussage, alles sei besser geworden. Mir ginge es besser. Hier wird nochmal vorgeschlagen, dass ich eine Computertomographie über mich ergehen lassen sollte. Dankend kann ich das aber nur ablehnen. Ich möchte einfach nur noch nach Hause zu meinen beiden Piloten. Ich muss noch eine halbe Stunde auf den Entlassungsbrief warten und kann dann nach Hause. Der Herr Therapeut hat allerdings schon alles erfahren und ruft mich an. Wir einigen uns darauf, alles am Mittwoch zu besprechen. Ich möchte nur noch zu meinen Schätzen.
Man lernt halt nie aus und immer wieder was neues kennen.
Lalalalaaaa vier Monate keine Selbstverletzung